Der Startercourse

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Ja, wir sind da. Ja, wir haben es geschafft – und ja, wir sind geschafft.

Die ersten drei Wochen an der Flugschule sind um!

© F.W. - Ja, wir!
© F.W. – Ja, wir!

Alles begann natürlich mit der Einschulung: Morgens um 08:00 Uhr sollte die feierliche Eröffnung im Audimax der heiligen Hallen (aka Flugschule) beginnen. Wir versammelten uns in voller Anzugsmontur und wurden durch den Ausbildungsleiter und die Schülerbetreuung empfangen. Diese verloren ein paar Worte darüber, wie froh man sei, dass wir jetzt doch tatsächlich endlich anfangen konnten.

Dass wir uns in Sachen Vorstellung nicht viel geschickter anstellen würden, konnten wir daraufhin prompt beweisen, als es darum ging, mit vorgehaltenem Namensschild dem Kurs die eigene Wenigkeit kurz näherzubringen. Zugegebenerweise war es schon ein bisschen albern, 32 Menschen, mit denen man seit anderthalb Jahren fast jeden Tag verbracht hat, Alter, Herkunft und Hobbys mitzuteilen. Die Vertreter der LFT hat es dennoch gefreut und damit stand es 1 zu 1 in Sachen „Vorstellung“.

Wir bekamen noch einen kurzen Überblick über den Ablauf der Schulung und unsere heiß ersehnten Stundenpläne für den laufenden Monat.

Es folgte eine Führung durch die gesamte LFT, die neben spannendem Unterricht einiges zu bieten hat: von Sporthalle über Sauna, Volleyballfeld, Grillplatz, Klavier bis hin zu Tischkickern und vielem mehr.

 

Nach dem Tag der Einschulung kam auch schon der Tag der Trennung. Wir wurden in zwei Kurse mit 15 (20ILST_1) und 17 Mann (20ILST_2) geteilt. In diesen Gruppen werden wir die nächsten Jahre der flugtheoretischen und die erste Phase der flugpraktischen Ausbildung absolvieren.

Am dritten Tag bekamen wir knapp 30 kg Skripte im praktischen Umzugskarton, deren Abtransport uns vor eine kleine logistische Herausforderung stellte: „Für den Karton müssen Sie eine extra Fahrkarte kaufen!“, so die ernst gemeinten Worte eines offensichtlich sehr motivierten Straßenbahnfahrers der BSAG.

 

Außerdem stand natürlich der Startercourse an. In diesem wurden viele Grundlagen aus Mathe und Physik, die bereits Bestandteil von Studium und Schule waren, wiederholt. Dabei passierte es durchaus, dass uns nach einer einfachen fünf-minütigen Erklärung ein Licht aufging, welches vorher nach mehreren Monaten Hochschulvorlesung noch nicht mal ansatzweise geflackert hatte.

© C. M. Aviat vs. Taschenrechner
© C.M. Aviat vs. Taschenrechner

Aber auch neue Konzepte wurden eingeführt und wir wurden mit zahlreichen weiteren Materialien ausgestattet: Zirkel, Navigationsdreieck, Wörterbücher. Die wichtigste Neuerung war der sogenannte „Aviat“, ein mechanisches Rechengerät, das selbst ohne Batterie noch funktioniert! Der Frage, warum ein heutiger, solar betriebener Taschenrechner nicht ähnliche Sicherheiten bietet (denn wenn es dunkel ist, sehe ich auch auf dem Rechenschieber herzlich wenig), wurde kurz entgegnet: „Mit dem Aviat geht’s schneller!“

Na gut. Also das außerirdische Gerät ausgepackt und ein paar Kreise gedreht. Cool! Ziemlich schnell lernten wir, damit zu multiplizieren und zu dividieren. Dreisatzrechnungen, Umrechnungen von Einheiten und sogar Anwendungen für diverse Höhen- und Geschwindigkeitsberechnungen wurden uns näher gebracht. Einzige Krux: Die Zehnerpotenzen muss man selbst abschätzen …

Wir stiegen erneut in die Trigonometrie ein, lernten diverse Faustformeln kennen, um den Sinus kleiner Winkel abzuschätzen, unsere HWC („Head Wind Component“) bzw. XWC („Cross Wind Component“) im Kopf zu ermitteln, Einheiten umzurechnen, und vieles mehr.

Ja, Faustformeln und Abkürzungen beherrschen die Welt der Luftfahrt. Und davon nicht gerade wenige.

Weiter ging es über Skalare und Vektoren hin zu Kräften und Schwerpunktbestimmungen. Wir konnten jetzt auch Flugzeitberechnungen mit dem Aviaten durchführen oder Steigungen in Prozent umrechnen. Wie viel Prozent Steigung entspricht ein 3° Glideslope?

Dann tauchten wir in die klassische Mechanik ein, wurden an Newtons Axiome und an Reibungskräfte erinnert, direkt gefolgt von Fluid Mechancics, Bernoulli’s Equation, genauso wie von der Thermodynamik und vielen weiteren Gleichungen und Gesetzen. Wer waren gleich noch mal Dalton, Boyle oder Henry?

© C.M. Die Ordner stapeln sich
© C.M. Die Ordner stapeln sich

Wie hoch kann ein Flugzeug fliegen, wovon hängt das ab? Was ist eine “Density Altitude”? Welche unterschiedlichen Geschwindigkeiten gibt es? Wofür brauche ich die EAS („Equivalent Air Speed“)? Welche Einheiten für Geschwindigkeiten gibt es und wann werden diese benutzt? Was ist eine TAT („Total Air Temperature“)? Warum muss ich iterieren, um auf meine OAT („Outside Air Temperature“) und die TAS („True Air Speed“, nicht zu verwechseln mit der TAT!) zu kommen? Wo wird die SAT („Static Air Temperature“) gemessen? Und warum gibt es eine T_ISA („Temperatur in der Standardatmosphäre“)? Wie behalte ich den Überblick, um nicht mit falschen Werten zu fliegen und wie berechne ich die richtigen Werte?

Neben „Perception of Sound“ stand dann zum Schluss auch noch die „Altimetry“ auf dem Plan – was ist die „Altitude“ wirklich, was ist eine „True Height“, wie unterscheidet sich das QFE vom QNE und vom QNH?

Der Starter Course zeichnete sich weiterhin dadurch aus, dass wir ständig einen Dialog mit unserem Lehrer führten. Wir wurden ständig mit spannenden Fragen und Ansichten auf Problemstellungen aus der Reserve gelockt und haben selbst viele kritische Fragen gestellt. Durch diesen sehr lebhaften Unterricht verging die Zeit wie im Fluge. Einige Dinge sind auch besonders anschaulich hängen geblieben. Wir sehen noch heute unseren Lehrer sich bei der Erklärung der Corioliskraft um alle seine Achsen rotieren.

 

In der HPL-Einführung (Human Performance and Limitations) wurde uns erklärt, welche „Learning and Relaxation Techniques“ sinnvoll sind und wie man diese am besten anwendet. Hier war es spannend zu erfahren, dass einige von uns zwar nach dem Grundsatz: „Ich lerne so lange, bis ich nicht mehr kann, mein Kopf wird mir schon mitteilen, wann er genug hat!“ lernen, unser Kopf sich aber eben dieses viel zu spät eingesteht. Deshalb sollte man von Anfang an explizite Pausenzeiten einplanen, um dem Gehirn die Chance zu geben, erste biochemische Spuren anzulegen, die dann bei ausreichend Schlaf (!) gefestigt werden.

Außerdem erhielten wir eine kleine Einführung in Air Law: Welche Bundesanstalten gibt es? Wer reguliert den Luftverkehr? Welche Abkommen wurden geschlossen? Welche Lizenzarten gibt es? Welche Voraussetzungen muss man dafür erfüllen – und was ist eigentlich „ICAO LVL 4“?

 

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© C.M. Der majestätische Kranich

Nach zwei Wochen war der Startercourse geschafft und es blieb etwa eine Woche, alle Themen bis zur Prüfung zu wiederholen. Unterstützt wurde man dabei von über 400 Übungsaufgaben, die elektronisch bereitgestellt wurden.

Etwas aufgeregt wurde dann am 04.03.2016 der „erste Test dem zukünftigen Arbeitgeber“ vorgelegt. Natürlich haben alle bestanden. Glückwunsch!

 

Neben dem Startercourse sind auch die ersten „richtigen“ Fächer an der Flugschule angelaufen. Dazu zählen Meteorologie, Human Performance and Limitations, General Navigation, Air Law und Electrics. Besonders positiv ist dabei zu erwähnen, dass jeder Lehrer weiß, was der andere tut und der Unterricht nie langweilig wird. Wenn es nämlich droht, soweit zu kommen, können wir direkt mit Zwischenfragen die Aufmerksamkeit zurückholen und gemeinsam mit den Lehrern diverse Sach- und Lachgeschichten diskutieren.

 

Weiterhin lernten wir die Kantine ausführlich kennen: Jeden Tag gibt es ein umwerfendes Frühstück mit allem, was das Herz begehrt! Bacon, Spiegelei, Orangensaft, frische Brötchen, Obst und noch viel mehr!

Mittags kann man dann aus einer Auswahl verschiedenster Gerichte sein Mittagessen zusammenstellen.

Pausenbeschäftigungen gibt es auch genug: Man bespricht aktuelle Themen, spielt Kicker, erforscht die Schule oder holt sich den nächsten Kaffee.

 

Wir blicken auf sehr intensive erste Wochen an der Flugschule zurück, die uns sehr viel Spaß bereitet haben. Ab jetzt heißt es Montag bis Mittwoch zurück an den Neustadtswall der Hochschule. Donnerstags und Freitags darf dann wieder an dem Ziel gearbeitet werden, ganz hoch hinauszukommen, denn an diesen beiden Tagen geht es wieder an die Flugschule!

PS: Falls es Euch noch nicht aufgefallen ist: In der Fliegerei ist Englisch so präsent, dass wir gerne in wunderbares denglisch verfallen. Sorry!